Das Alpha-Rotkäppchen und der Zahlwolf

von Manndat

Cornelia Funke: Märchenstunde einmal anders

Eigentlich kennt man Cornelia Funke ja als Kinderbuchautorin, die gerne die Fantasie spielen lässt. Offensichtlich geht deren Fantasie manchmal gewaltig mit ihr durch, und so titelte „Die Welt“ bereits in der Überschrift: „Cornelia Funke knöpft sich reaktionäre Märchen vor“. Nun, dass die Grimmschen Märchen nichts für schwache Gemüter sind, ist hinlänglich bekannt. Zwar hat es nichts geschadet, dass viele Generationen von Kindern diese teilweise gruseligen Geschichten gehört haben, trotzdem muss man sie natürlich nicht gut finden. Aber reaktionär? Hm, das ist schon interessant.

Frau Funke meint beispielsweise „Märchen sagen oft: Glück ist, wenn du es als armer Bauer schaffst, eine reiche Prinzessin zu heiraten.“. Ganz Unrecht hat sie damit natürlich nicht. Und dass das Nach-oben-Heiraten nicht gerade als Unglück zu bezeichnen ist, müssten doch besonders Frauen nachempfinden können, die das auch heute noch reihenweise versuchen. Darüber schweigt sich Frau Funke allerdings aus. Wäre wohl zu frauenfeindlich.

Unabhängig davon sagen die Märchen noch viel mehr: Sei fleißig, dann wird aus dir etwas; sei klug, dann tappst du nicht so oft in Fallen; sei ehrlich, hilfsbereit und gut, denn am Ende lohnt sich das mehr als Rücksichtslosig- und Hinterhältigkeit. Alles Dinge, die auch heute noch gelten. Das mag sie aber nicht sehen. Vielleicht ist das zu realistisch? Schließlich wissen wir ja, dass die Realität patriarchal, reaktionär und frauenfeindlich ist, wenn sie nicht ausdrücklich auf die besonderen Bedürfnisse der Frau eingeht.

Interessant auch, dass sie sich gar nicht daran stört, dass die einfachen Männer, die eine Prinzessin heiraten wollen, regelmäßig ihr Leben riskieren und praktisch unlösbare Aufgaben meistern müssen. Ganz im Gegensatz zu den zahlreichen Grimmschen Frauen, bei denen es ausreicht, schön zu sein oder nur die richtige Schuhgröße zu besitzen, um den Traumprinzen abzubekommen.

Doch es kommt noch schlimmer: Die Märchen sind nicht nur reaktionär, nein, sie sind auch frauenfeindlich! Geradezu dramatisch zeigt sich das, laut Funke, beim Rotkäppchen.
„WELT ONLINE: Und die Gebrüder Grimm haben einen antifeministischen Zug?

Funke: Das Rotkäppchen ist eines der drastischsten Beispiele, woran allerdings nicht nur die Brüder Grimm schuld sind. Am Anfang der Überlieferung steht nämlich gar kein dummes, eitles Mädchen, das sich ein rotes Käppchen aufsetzt und damit in den Wald marschiert, sondern eines, das auf einen Werwolf trifft. Ursprünglich rettet es sich aus eigener Kraft, und den Wolf erledigen einige Wäscherinnen am Fluss – nicht der Jäger.“

Während sich Frau Funke noch kurz zuvor über die Gruseligkeit der Märchen echauffierte, vor denen sie sich als Kind gefürchtet hätte, findet sie offensichtlich einen bösen Werwolf weitaus weniger gruselig als einen Graupelz. Wichtig ist nur, dass er von Wäscherinnen erschlagen wird. Aha. „Starke Frauen“ würde man das heute wohl nennen.

Da fragen wir uns schon, ob Frau Funke vielleicht ein anderes Märchen gelesen hat. Bei den Grimms wird das Rotkäppchen mitnichten als eitel und dumm dargestellt. Das rote Käppchen trägt sie, weil sie es von ihrer Großmutter geschenkt bekommen hat und es ihr offensichtlich gefällt oder aber sie der Großmutter eine Freude machen will. Beides weist nicht gerade auf überzogene Eitelkeit hin. Auch ist sie nicht dumm, hört aber – wie viele Kinder – nicht auf die Warnungen von Erwachsenen. Sie ist schlicht übermütig, vertrauensselig und unvorsichtig. Aber es ist halt ein Kind.

Dass der Jäger ein Mann ist und der die Großmutter und das Kind rettet, ist natürlich ganz besonders „antifeministisch“. Dass es nahezu ausschließlich Männer sind, die in Gefahrenfällen anderen das Leben retten, entspricht zwar auch heute noch der Realität, aber das darf man natürlich nicht sagen. Wäre ja frauenfeindlich. Also, meint zumindest Frau Funke.

Die uns nun deshalb ihre Märchenstunde der ganz besonderen Art auftischt. In ihrem neuen Buch, in dem sie Grimms Märchen verfremdet: Dornröschen schläft durch, weil der Prinz versagt, und Schneewittchen lässt sich scheiden. Das ist nun zweifellos ganz und gar nicht antifeministisch, sondern so richtig langweiliger frauenbewegter Mainstream. Der Mann als Trottel und die Frau als Schmiedin ihres eigenen Glücks, die den männlichen Beziehungsballast zeitgemäß entsorgt. Haben wir alles schon -zigmal gelesen bei Gaby Hauptmann und Konsortinnen.

Wer Gaby Hauptmann ist, wollen Sie wissen? Der Name sagt Ihnen rein gar nichts? Nun, das ist eine Kitsch-Schriftstellerin, die mal ziemlich erfolgreich war mit „modernen“ Frauenromanen, in denen freche, starke Frauen die Männer alt aussehen ließen. Und die so lustige und gar nicht sexistische Titel trugen wie „Nur ein toter Mann ist ein guter Mann“ oder auch „Suche impotenten Mann fürs Leben“. Weil die aber kaum noch jemand lesen will, ist sie inzwischen sehr erfolgreich auf Pferdebücher für Jugendliche umgestiegen.

So weit ist Frau Funke (noch) nicht. Selbstverständlich helfen wir ihr bis dahin gerne, das patriarchal-reaktionäre Kulturgut auf den modernen Stand zu bringen. Und wir beginnen gleich mal mit dem besonders frauenfeindlichen Märchen vom Rotkäppchen.

Das Alpha-Rotkäppchen und der Zahlwolf

Es war einmal eine Feministin. Die wollte ein Kind, aber keinen Mann. Daher ließ sie sich von einer Zufallsbekanntschaft schwängern und zog von dannen. Sie hatte Glück und bekam ein Mädchen. Nicht auszudenken, wenn es ein Junge geworden wäre.

Doch schon bald merkte die Mutter, dass sie einen großen Fehler gemacht hatte. Anstatt sich von jemanden schwängern zu lassen, den sie gut kannte und von dem sie auch ordentlich Unterhalt eintreiben konnte, kannte sie von ihrer Zufallsbekanntschaft weder Namen noch Adresse. Da waren ihre Freundinnen weitaus cleverer. Nun aber musste sie da durch.

Einmal bekam das Kind von seiner Großmuter ein rotes Käppchen geschenkt. Und weil es ihr so gut gefiel, trug sie es jeden Tag. Darüber war die Mutter nicht erfreut, denn ein lila Käppchen wäre ihr angenehmer gewesen. Sie beruhigte sich aber, denn obwohl das Kind eine rote Kappe trug und sich nicht als Feministin bezeichnete, waren die feministischen Allmachtsphantasien fest in ihrem Kopf verankert. Und da das auch anderen so ging und alle glaubten, Mädchen wären Jungen in allem überlegen, nannten sie das Kind von nun an Alpha-Rotkäppchen.

Eines Tages sagte die Mutter zum Alpha-Rotkäppchen: „Hier hast du einen Korb mit Kuchen in der Assiette, weil ich mich nicht zur Haussklavin mache und backe, und Wein im Tetrapack, weil wir nur bei Aldi einkaufen können, da der Mistkerl von deinen Vater nichts bezahlt. Das bringst du jetzt zur Großmutter. Aber ein bisschen flott und lass dich nicht dumm anmachen, denn du weist ja, dass alle Männer Schweine sind.“

Also ging das Mädchen in den Wald, und bald darauf traf es den Wolf. „Hallo, du schönes Kind“, sagte er. „Wo geht’s denn hin?“ – „Das geht dich einen Dreck an, du verlaustes Dreibein“, antwortete höflich das zuvorkommende Alpha-Rotkäppchen.

Doch der dumme Wolf merkte nicht, dass man solche Leute besser links liegen lassen sollte, folgte dem Alpha-Rotkäppchen, räumte ihm Steine aus dem Weg und beseitigte Äste und Dornenranken, auf dass es sich nicht verletzen möge. Das Alpha-Rotkäppchen nahm das als Selbstverständlichkeit hin. Immerhin war sie eine von den Frauen, die glaubten ein naturgegebenes Recht darauf zu haben. Als sie an einer Lichtung voller schöner Blumen vorbei kamen, drehte sie sich zum Wolf um und sagte:
„Hey, du Flohcontainer, pflücke mir mal einen Strauß von diesen schönen Blumen. Den will ich der Großmutter schenken.“

Der dumme Wolf tat wie ihm geheißen, während das Alpha-Rotkäppchen in der Sonne lag, von Quoten träumte und über das schwere Los der Frauen sowie deren Dreifachbelastung nachdachte.

Als der Wolf den Strauß gepflückt hatte, übergab er ihn dem Alpha-Rotkäppchen, und sie setzten den Weg fort. Sie merkten nicht, dass sie von der Mutter beobachtet wurden, die ihrem Kind nicht zutraute, alles richtig zu machen. Als sie das sah, hatte sie eine tolle Idee und verschwand.

Bald darauf erreichten das Alpha-Rotkäppchen und der Wolf das Haus der Großmutter. Der Wolf hielt die Tür auf und das Mädchen trat ein. „Hallo Großmutter“, rief es. „Sieh mal, was ich dir für wunderbare Blumen gepflückt habe! Und hier ist auch noch Kuchen und Wein.“

Die Großmutter herzte ihre Enkelin und sah etwas missmutig auf den Wolf. Doch wenn Feministinnen unter sich sein wollen, müssen die Männer raus. Also riefen die beiden Frauen laut „Frauenveto“, und der Wolf ging in die Küche, sich nützlich machen. Während der Wolf arbeitete, saßen die beiden Frauen am Tisch, aßen Kuchen und tranken Wein aus dem Tetrapack.

Plötzlich klopfte es an der Tür, und unmittelbar nachdem die Großmutter geöffnet hatte, stand die Frau vom Jugendamt mit der Mutter vom Alpha-Rotkäppchen und einer Flinte in der Stube. Bald darauf spürte der Wolf das kalte Metall der Waffe am Hinterkopf.

Vorsichtig drehte der sich herum und fragte: „Was wollt ihr von mir?“ Die Mutter vom Alpha-Rotkäppchen lachte laut. „Jetzt tu nicht so!“, schrie sie schrill. „Endlich habe ich Dich gefunden. Du zahlst schon lange keinen Unterhalt!“
Jetzt lachte der Wolf, der das Ganze für einen schlechten Scherz hielt. „Klar zahle ich keinen Unterhalt. Ich habe ja auch kein Kind!“
„Und was ist mit dem Alpha-Rotkäppchen?“, fragte die Frau vom Jugendamt, während draußen ein Vogel laut und deutlich „Kuckuck“ rief. „Hier ist eine Vaterschaftsanerkennung, die du jetzt unterschreibst, mein Lieber.“

„Ich denke gar nicht daran“, sprach der Wolf. Doch als er sich die Flinte genauer ansah, konnte er ganz deutlich den Schriftzug „Missbrauchsvorwurf“ erkennen. Der Wolf dachte kurz nach. Was hatte er schon zu verlieren, wenn er unterschrieb. Immerhin verdiente er kaum genug für sich selbst, so dass er nicht über dem Selbstbehalt lag. Und die Alternative war der Abschuss. Also unterzeichnete er den Wisch.

Kaum hatte er das getan, jubelten die Frauen. „Und nun zahle“, sagte die Frau vom Jugendamt. „Geht nicht“, antwortete der Wolf. Da drückte ihm die Frau vom Jugendamt die Flinte noch fester an den Kopf und er konnte jetzt lesen, was auf der anderen Seite eingraviert war: „Gesteigerte Erwerbsobliegenheit“.

„Du dreckiges, faules Tier gehst ja nur einer Vollzeitbeschäftigung nach.“, klärte ihn die nette Jugendamtsdame auf. „Aber wenn das nicht ausreicht um den Mindestunterhalt zu zahlen, musst Du noch eine Nebentätigkeit aufnehmen und zwar selbst dann, wenn Du in Schichten arbeitest ! Oder bist Du Schwein etwa der Meinung, dass in so einem Fall auch die Mutter etwas mehr tun müsste?“
Der Wolf wollte etwas erwidern, doch das Klicken des Flintenschlosses ließ ihn verstummen.

Und so suchte sich der Wolf eine Nebentätigkeit. Während er tagsüber seinen Bedarf bestritt, hütete er nachts die Schafherde, um monatlich Unterhalt zahlen zu können. Das Alpha-Rotkäppchen und seine Mutter lebten von nun an viel vergnügter und so etwas wie schlechtes Gewissen oder gar Mitleid gegenüber dem Kuckucksvater plagte die Mutter nicht.

Und wenn sie nicht gestorben sind, arbeitet sich das arme Tier heute noch den Wolf.

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